Berna 1936, Ziegelei Oberdiessbach

Eigentlich bin ich wegen eines ganz anderen Lastwagens nach Luzern gefahren. Doch wie so oft im Leben kommt es anders als man denkt. So auch an diesem warmen Sommertag. Ein Berna aus den Fünfzigerjahren war ausgeschrieben, diesen wollte ich besichtigen. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits den Carba Saurer hatte, wäre dieser Berna quasi das Pendant dazu gewesen, also hätte ich mehr oder weniger zwei optisch identische Fahrzeuge gehabt und das machte irgendwie auch keinen Sinn. Doch wie es so geht als Sammler: "nur mal schauen gehen..."

Nebst dem Berna aus den Fünfziger, standen zu meiner Überraschung noch eine menge anderer Oldtimer herum, an deren Schönheiten ich mich ebenfalls ergötzte. In einem grossen, alten Schuppen lagerten mehrere Lastwagen, aber auch andere Oldtimer. Diese alle waren so dicht nebeneinander gestanden, dass ich den Berna der Ziegelei Oberdiessbach erst erspähte, als ich über die Ladebrücke eines anderen Lastwagens kletterte. Als ich die Kabine, deren unterer Teil leicht nach innen verläuft sah, wusste ich, dass es sich hierbei um ein frühes Modell aus den Dreissigerjahren handeln musste. Erst nach einer Sauerstoff raubenden Kletteraktion befand ich mich beim Berna. Nein, ich stand weder davor, noch an dessen Seite, ich konnte knapp auf dem Holztrittbrett stehen! Egal wo ich Körperkontakt zum Berna fand, wurde ich schmutzig. Ein dickes Schmutzkleid hatte sich über die Jahre auf dem Berna niedergelegt. Es war jedoch trockener Schmutz, daher störte er mich nicht. Der Kühlergrill war eingedrückt, sämtliche Armaturen fehlten, ebenfalls die Lampen und anderes Kleinmaterial, aber im Grossen und Ganzen faszinierte mich der Lastwagen. Sein unberührter und ehrlicher Zustand waren grandios! Dann die Aufschrift an den Türen: "Ziegelei Oberdiessbach". Die Ziegelei kenne ich gut, beziehungsweise das Areal und die Gebäude dazu. Denn die Ziegelei als solche gibt es bereits seit vielen Jahren nicht mehr. Ob der Berna immer unter dem Patronat der Ziegelei seinen Dienst verrichtete, konnte ich nicht sagen, auch die jungen Besitzer des Lastwagens nicht. Da es sich jedoch um einen Kipper handelt, die Farbe an den Türen die erste zu sein schien, ging ich davon aus, das er nur gerade für die Ziegelei Oberdiessbach im Einsatz stand. 

 

In dem Zustand entdeckte ich den Berna Lastwagen im alten Schuppen

Den dicken Eidgenossen für eine bessere Besichtigung nach draussen stellen war nicht möglich. Denn er stand eingepfercht zwischen vielen anderen grossen Objekten ganz in der hintersten Ecke des Schuppens. Die Jungs meinten, dass sie ihn gelegentlich befreien und ihn ans Tageslicht bringen würden. Dann könne ich ihn schauen kommen und man könne über einen Kauf reden. 

Es dauerte fast zwei Jahre, bis mir einer der Jungs anrief und mitteilte, dass der Berna aus der Gefangenschaft befreit sei und ich ihn besichtigen kommen könne. Der Anruf freute mich mindestens gleich, wie wenn man einem Archäologen den umgehenden Fund eines Tyrannosaurus-Rex mitgeteilt hätte. Sofort schwang ich mich auf die Harley Road-King und donnerte in Richtung Luzern. Am Zielort angekommen, ging ich mehrmals um den Berna herum und erfreute mich ab seiner typischen Form der Dreissigerjahre. Die unten zunehmend schmaler werdende Kabine, die zweiteilige Frontscheibe und eben, sein echter und unverfälschter Zustand waren grossartig. Ein kleines Detail, dass alleine seine Geschichte erzählt, ist der Lackschaden an der Fahrertür, der gar keiner ist. Die fehlende Farbe oben an der Türe stammt schlicht vom ewigen Raushalten des Arms des Chauffeurs! Weder Heizung noch Klimaanlage waren Begriffe die man damals kannte und wenn, bestimmt nicht in einem Arbeitsgerät wie einem Berna Lastwagen. Die Seitenscheibe stets nach unten gekurbelt, musste der drahtige, von der Sonne braun gebrannte Unterarm stets in der gleichen Position aus dem Fenster gelehnt haben. Dichtes, borstiges Haar, vom ewigen Staub aus der Ziegelei, grau - rot gefärbt, darunter zeichneten Adern so dick wie Hanfseile ein Kartenrelief auf das Muskelfleisch, ja, so stelle ich mir den Arm vor, der über viele Jahre den Lack abschliff und ein Kunstwerk aus der Fahrertür machte. 

Es bedurfte keinen langen Verhandlungen und das technische Stück Kulturgut ward gekauft. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon Stunden der Aufopferung, um seinen ohnehin schon genialen Zustand mit patinieren zu verschönern und den Berna mit den fehlenden Teilen zu komplettieren.

Viele aufopfernde Stunden sind bereits in den Berna geflossen, doch keine einzige Minute davon reute mich! Das Ergebnis lässt sich mehr und mehr blicken, auf das abschliessende Ergebnis müssen Sie allerdings noch ein wenig warten...